25.-26. Juli 2015
Lanxess Arena,Köln
Eigentlich
bin ich kein wirklicher Freund von Festivals und besuche lieber
Konzerte einzelner Bands. Lediglich bei den kleineren, regionalen
Veranstaltungen wie beispielsweise dem Binger Open Air
oder der Folklore in Wiesbaden schaue ich
gelegentlich vorbei. Eher spontan entschloss ich mich trotzdem, in
diesem Jahr mit dem Amphi doch noch eine größere
Veranstaltung der schwarzen Szene zu besuchen. War das Festival in
den vorangegangenen Jahren am Kölner Tanzbrunnen beheimatet, so
mussten sich die Veranstalter aus verschiedenen Gründen für 2015
eine neue Örtlichkeit suchen. Ein Ausweichplatz fand sich, nur
wenige hundert Meter entfernt, in der Lanxess Arena,
einem Hallenkomplex der für die unterschiedlichsten Events genutzt
wird.
Campen
war für mich keine Option, und so machte ich mich kurzfristig auf
die Suche nach einem Hotel, möglichst in der Nähe des
Festival-Geländes. Sowohl das Dorinth wie auch
das Radisson Blu kannte ich von mehreren
Messebesuchen und von beiden Hotels ließ sich die Arena bequem zu
Fuß erreichen. Während das eine Hotel schon ausgebucht war, gab es
im anderen noch Kapazitäten, und so orderte ich kurzentschlossen ein
Zimmer, auch wenn mir die Preise (selbst ohne Frühstück) die
Tränen in die Augen trieben.
Die
Anreise verlief angenehm ereignislos und auch kostengünstige
Parkplätze in der Nähe des Hotels waren in ausreichender Menge
vorhanden. Das Einchecken stellte sich zwar als etwas kompliziert
heraus, funktionierte dann aber schließlich noch irgendwann. Während
ich in der Lobby des Hotels wartete, hatte ich Zeit die anderen Gäste
zu beobachten, die sich hier aufhielten. Sehr schön waren die
Blicke, welche die Geschäftsleute und Besucher der nahen Messe den
Grufties zuwarfen, die in Lack, Leder, Spitze und Uniform durch die
Halle liefen. Nachdem ich dann doch irgendwann mein Zimmer beziehen
konnte und das Gepäck sicher verstaut hatte, machte ich mich auf den
Weg in die Stadt um ein wenig zu konsumieren. Auch hier war es
interessant die Reaktionen der Einwohner und Touristen auf die
schwarz gewandeten Gestalten zu beobachten die schon in großer Zahl
die Fußgängerzone heimsuchten. Nach einer Runde Extrem-Shopping
hatte sich meine Barschaft schon bedenklich gelichtet und ich machte
mich langsam auf den Weg zurück ins Hotel. Dabei nahm ich einen
winzigen Umweg in Kauf und stattete dem Festival-Gelände einen
kurzen Besuch ab, um mir mein Eintrittsband für den nächsten Tag zu
sichern und mich vorab etwas zu orientieren. Gerne hätte ich mir
auch schon ein Programmheft zur besseren Planung mitgenommen, doch
leider waren diese noch nicht erhältlich.
War
der Freitag noch sonnig und bei Temperaturen um die 30 Grad durchaus
sommerlich gewesen, so zeigte mir ein Blick aus dem Fenster am
Samstag morgen, dass wohl der Herbst über Nacht Einzug gehalten
hatte. Dicke, schwere Wolken hingen über der Stadt und die ersten
Tropfen klatschten gegen das Fenster meines Zimmers. Auch die Bäume
auf dem Parkplatz bogen sich unter den gelegentlichen Windböen
bedenklich. Da ich mir diesmal ausnahmsweise das Frühstück im Hotel
sparen wollte, machte ich mich zuerst in Richtung des hiesigen
Supermarktes auf, um einige Vorräte zu ergänzen. Zwischenzeitlich
verstärkte sich der Regen etwas und auch der Wind frischte merklich
auf. Dennoch ging es, nach einem kurzen improvisierten Frühstück,
in die nahegelegene Arena. Ob es an der frühen Uhrzeit oder am
bescheidenen Wetter lag, konnte ich nicht sagen, auf jeden Fall hielt
sich der Besucherandrang in einem sehr überschaubaren Rahmen. Die
Kontrolle an den Gittern nahm, zumindest bei mir, nur wenig Zeit in
Anspruch und ich konnte das Gelände betreten und mich orientieren,
kannte ich die Lanxess Arena doch bisher nur von
außen. Über dem Eingang lachte mir ein knallbuntes Konzertplakat
von Violetta, einem Retortenstar aus dem Disney-Konzern entgegen, auch mit Ankündigungen
für Howard Carpendale, Mario Barth
oder die Bläck Fööss wurde nicht gegeizt, was
so gar nicht zur Atmosphäre eines "schwarzen" Festivals
passen wollte. Bevor ich mich jedoch weiter umsehen konnte wurde ich
von einer Lautsprecherdurchsage aufgefordert mich auf Grund eines
aufkommenden Unwetters in der Halle in Sicherheit zu bringen. Kurz
darauf wurden weite Teile des Außenareals komplett abgesperrt und
die Zelte standen mit flatternden Planen traurig und verlassen im
Regen. So blieb mir nichts anderes übrig, als mich in den Rundgang
zu begeben der um die Arena herum lief. Neben einigen
Merchandise-Ständen waren es vor allem die zahlreichen
festinstallierten Essens- und Getränkeanbieter die, nicht unbedingt
positiv, auffielen. Nachdem ich mir am Info-Stand endlich ein
Programm besorgt hatte, wollte ich dem derben Gebolze auf den Grund
gehen, das aus den geöffneten Türen zur "Arena Stage"
drang. Bis zum Auftritt von Schöngeist,
eigentlich der erste Act des Tages, war noch fast eine Stunde Zeit,
und dennoch stand dort eine Band auf der Bühne und spielte vor einer
Handvoll Zuschauer. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich Centhron identifizieren konnte, die eigentlich
erst viel später am Tag draußen auf der "Green Stage"
spielen sollten. Wenn es eine entsprechende Ansage gab, so war sie
komplett an mir vorbei gelaufen und auch auf den zahlreichen
Monitoren im Hallenbereich war keine Programmänderung zu sehen.
Irgendwann kam dann auch die Durchsage, dass wegen der
Unwetterwarnung der Außenbereich vorerst gesperrt blieb und die
Lesung von Christian von Aster auf den Sonntag verlegt werden sollte.
Zu den anderen Auftritten gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine
weiteren Informationen und da Schöngeist nicht
unbedingt meinen musikalischen Geschmack trafen, machte ich mich
wieder auf den Weg nach draußen.
Mittlerweile
waren deutlich mehr Besucher auf dem Amphi
eingetroffen und mangels Ausweichmöglichkeiten drängten sie sich
praktisch alle im Rundgang, der um die Arena führte. So schoben sich
die Besucher langsam in die eine oder andere Richtung, wobei
Spurwechsel schon bald nicht mehr ohne den Einsatz von Ellenbogen
oder Stiefeln möglich waren. Nachdem ich einige Bekannte getroffen
hatte, gaben diese mir den Tipp, doch einmal in die Magistrale, ein
Nebengebäude, zu gehen und mir dort die Auslagen der Stände
anzuschauen. Tatsächlich war es hier deutlich leerer als in der
eigentlichen Halle, was damit zu tun haben könnte, dass es weder
Schilder noch andere Hinweise gab, die auf diesen Teil des Festivals
hindeuteten. Nachdem ich mich ein wenig umgeschaut hatte, wagte ich
noch einen Abstecher in die Arena, wo mittlerweile Chrom
dabei waren vor vollem Innenraum und gut besetzten Rängen zu
spielen.
Zwischenzeitlich
verspürte ich nun doch ein kleines Hüngerchen, daher setzte ich
mich ernsthaft mit dem Angebot der Caterer in der Halle auseinander.
Hier gab es fast ausschließlich Junkfood zu durchaus sportlichen
Preisen und für Vegetarier oder gar Veganer blieb fast nur die
Möglichkeit auf Pommes frites auszuweichen. Nach einem kurzen
Rundgang entschied ich, dass ich nicht soooo hungrig war, dass ich
3,90 Euro für einen Burger, der offensichtlich schon mehrere Stunden
unter einer Hitzelampe gelegen hatte, ausgeben würde. Daher begnügte
ich mich mit einer (abgestandenen) Cola und nahm mir vor, nachher in
einem der zahlreichen Fastfood-Läden in unmittelbarer Umgebung der
Halle meinen Bedarf an Fett, Zucker und Kohlehydraten zu decken.
Da
mir das weitere Gedränge mittlerweile gewaltig auf den Nerv ging,
verabschiedete ich mich zurück ins Hotel, mit einem kleinen Umweg
über eine nahe gelegene Imbiss-Bude. Im Hotel überbrückte ich die
Zeit bis zu den nächsten interessanten Konzerten, indem ich
mitgebrachten Schreibkram erledigte und zwischendurch immer wieder
einen Blick auf die Internet- und Facebook-Präsenz des Festivals
warf, doch auch hier waren die Informationen bestenfalls vage oder
widersprüchlich. Kurz vor 16 Uhr startete ich dann einen zweiten
Anlauf. Das Wetter hatte sich nur unwesentlich beruhigt und auch die
Unwetterwarnung war noch in Kraft, aber ich wollte mir zumindest die
Gelegenheit nicht entgehen lassen, mir ein Autogramm von Der
Fluch zu holen. Nach einigem Suchen fand ich sogar die
Stelle, wo die Band sich niedergelassen hatte, auch hier wäre eine
bessere Ausschilderung sicherlich hilfreich gewesen. Da sich nicht
viele Besucher auf diesen Teil des Festivals verirrt hatten, blieb
mir wenigstens Zeit für ein kleines Schwätzchen mit Deutscher W.,
dem Sänger der Band. Auch er hatte zu diesem Zeitpunkt keinerlei
Informationen wann, wo und ob sie überhaupt auftreten würden. Auf
den Gängen und im Netz machten immer mehr Gerüchte die Runde, dass
beispielsweise das Außengelände am Samstag gar nicht mehr
freigegeben würde, der Auftritt von Neuroticfish
komplett gestrichen wäre und noch einige andere unschöne Dinge.
Offizielle Informationen vom Veranstalter waren weiterhin Mangelware
und die aushängenden Programme schon lange überholt.
Danach
hatte ich wieder ein wenig Lust auf Musik, deswegen war ich
schließlich ja nach Köln gekommen. Daher traf es sich recht gut,
dass auf der "Arena Stage" grade The
Crüxshadows aus Florida ihr Set starteten. Optisch konnte
die Band wieder voll überzeugen, aber der Sound war teilweise
grenzwertig. Die Bässe waren im Innenraum kaum erträglich, während
die Vocals stellenweise nicht vorhanden waren. Mit ähnlichen
Problemen hatten zwar bisher alle Bands zu kämpfen gehabt, die ich
auf dieser Bühne gesehen hatte, aber hier war es dann doch etwas
extrem.
Mittlerweile
kam von offizieller Seite die Bestätigung, dass heute im
Außenbereich keine Konzerte mehr stattfinden würden. Aber der
Veranstalter versprach alles zu tun, damit die Bands auftreten
konnten. Das tröstete zwar ein wenig, änderte aber nichts an der
Tatsache, dass ich zwei Bands auf jeden Fall verpassen würde.
Nach
einer kurzen Umbaupause folgten die EBM-Pioniere von DAF,
mit denen ich persönlich nicht wirklich etwas anfangen kann. Aber
immerhin gelang es ihnen, so etwas wie Stimmung in der Halle
aufkommen zu lassen. „Sato-Sato“, „Der Räuber und der Prinz“
oder auch „Der Mussolini“ sorgten für tanzende und feiernde
Menschen vor der Bühne und zumindest höfliches Interesse der
Besucher auf den Rängen. Auch hier war der Sound zu Beginn nicht
optimal, wurde aber im Laufe des Auftritts deutlich besser. Mit rund
70 Minuten wurde der Band dann auch die bisher längste Spielzeit an
diesem Festivaltag eingeräumt. Und als besonderes Schmankerl für
die Fans kündigte Sänger Gabi Delgado an, dass die erst im Januar
bestätigte Trennung der Band hinfällig wäre und die beiden weiter
zusammen Musik machen wollten.
Nachdem
ich schon auf Neuroticfish und Der
Fluch verzichten musste (ich habe es schon mehrfach erwähnt), war ich froh, dass wenigstens die
Kanadier von The Birthday Massacre wie geplant
auftreten würden. Und so blieb ich gleich in der Halle, wechselte
aber vom Innenraum hoch auf den Rang ans gegenüberliegende Ende der
Arena wo es noch reichlich freie Sitze gab und ich die Füße etwas
hochlegen konnte. Wie zu erwarten lag der Fokus des, deutlich
gekürzten, Sets auf den Stücken des aktuellen Albums Superstition. Die Show, die Sängerin Chibi und
ihre fünf Mitmusiker ablieferten war dann auch das Beste, was ich
bisher an diesem Tag gesehen hatte. Leider war nach rund 40 Minuten
aber schon Schluss und ich machte mich auf die Suche nach etwas
Frischluft und einer kleinen Stärkung.
Die
Unwetterwarnung war immer noch nicht aufgehoben, daher waren nur
wenige, kleine Außenflächen freigegeben und mit Gitterwänden
gesichert worden, so dass sich der geneigte Besucher doch ein wenig
eingesperrt vorkam. Die Windböen und Regenschauer taten dann auch
ihr übriges, mich wieder schnell in die Halle zu treiben. Doch auch
in der Halle seine Runden ziehen und zum wiederholten Male die
Auslagen der Stände zu begutachten war auf Dauer nicht wirklich
spannend, so dass ich schließlich kurz darauf dem Festival ein
zweites Mal an diesem Tag den Rücken kehrte. Diesmal war mein Ziel
nicht das Hotel, sondern ein nahe gelegenes Brauhaus, das für seine
deftige, regionale Küche bekannt (und berüchtigt) ist. Nach einem
exzessiven Abendmahl hatte sich das Wetter erstaunlicherweise
stabilisiert, der Regen war fast völlig verschwunden und auch der
Wind war auf ein akzeptables Maß zurück gegangen. Kurz spielte ich
mit dem Gedanken noch einmal aufs Festivalgelände zurückzukehren,
um wenigstens noch Front 242 und And
One zu sehen, doch die einsetzende Fressnarkose zwang mich
geradezu ins Bett, wo ich auch fast direkt einschlief.
Der
Sonntag startete deutlich freundlicher, die Wolken hatten sich
komplett verzogen und der Wind war, bis auf ein leichtes Säuseln,
nicht mehr vorhanden. Da die Unwetterwarnung schon am gestrigen Abend
aufgehoben worden war, stand einem angenehmeren zweiten Festivaltag
nichts mehr entgegen.
Die
Veranstalter hatten noch spät am Samstag eine neue Running Order
veröffentlicht und bemühten sich, wie versprochen, so viele Bands
vom Vortag wie nur irgend möglich auf den drei Bühnen
unterzubringen. Natürlich nicht Neuroticfish und Der Fluch, weswegen ich eigentlich ja hier war;
schade, aber nicht zu ändern. Auch die Lesung von Christian von
Aster wurde klammheimlich unter den Tisch fallen gelassen.
Das
Festivalgelände machte am zweiten Tag dann auch einen völlig
anderen Eindruck: die zahlreichen Zelte mit Klamotten, CDs und
verschiedensten Getränken und Lebensmitteln hatten geöffnet und die
zarten Sonnenstrahlen ermöglichten das in der Szene so beliebte
Flanieren über das Gelände. Hier konnte sich der Betrachter dann
auch an der ganzen Vielfalt der dunklen Gestalten ergötzen:
traditionelle Goths mit toupierten Haaren und Pikes, die Damen und
Herren der EBM-Fraktion in voller Kampfmontur, die farbenfrohen
Cyberpunks mit den auffälligen Kunststoff-Dreadlocks, aufwändige
viktorianische Kostüme und natürlich viele Leute in Lack-, Leder-
und Fetisch-Klamotten.
Diesmal
wollte ich den Tag nutzen, um möglichst viele Eindrücke vom Amphi mitzunehmen. Schon weit vor dem Mittagessen
beschallten [:SITD:] und die Patenbrigade:
Wolff mit teils derben Beats die Halle, doch hier hatte ich
gestern schon genug Zeit verbracht und so schlenderte ich lieber noch
ein wenig über das Gelände um mich mit einigen CDs einzudecken. Das
erste Konzert, was für mich an diesem Tag auf dem Programm stand,
waren die Pagan-/Goth-Rocker Inkubus Sukkubus, die
auf der kleinen „Orbit Stage“ spielten.
Wer
auch immer für den Standort dieser Bühne verantwortlich war, hatte
sich wahrscheinlich vorgenommen, diesen Platz so ungemütlich wie
möglich zu gestalten. Vielleicht 50 Meter hinter der Bühne, also im
direkten Sichtfeld der Zuschauer, fuhren im Minutentakt die Züge der
Deutschen Bahn, linker Hand befand sich einer der wichtigsten
Durchgänge des Festivals, wollte man nicht durch die Halle laufen.
Rechts endete das Gelände an einem der beliebten Gitterzäune und
auch nach hinten gab es nicht viel Platz um auszuweichen. Das alles
auf hartem Betonboden, der längeres Stehen zu einer Tortur machte
und garniert mit einem kleinen Bäumchen, das den Blick auf die Bühne
zusätzlich einschränkte.
Der
erste Teil des Sets wurde nur von zwei akustischen Gitarren
bestritten, die Candias großartige Stimme unterstützten. Beim
zweiten Teil wurden dann die Stromgitarren ausgepackt, wobei Drums
und Keyboards aus der Konserve kamen, und ich würde fast soweit
gehen und behaupten, dass Bass und Gitarre ebenfalls nicht live
waren. Alles in allem kein schlechter Auftritt, aber in diesem Fall
hätte ich doch „handgemachte“ Musik und kein Halbplayback
bevorzugt.
Bis
zum Auftritt der Creepshow hatte ich noch ein
wenig Zeit und wollte einen Blick auf die „Green Stage“ werfen.
Hier ballerten sich grade die Damen und Herren von Pokémon
Reaktor fröhlich durch ihr Set. Dem Publikum schien es zu
gefallen, doch ich musste mich beeilen, wollte ich mir den Auftritt
der kanadischen Psychobillies nicht verpassen. Da das Frühstück
morgens ausgefallen war gab es auf dem Weg ein koffeinhaltiges
Kaltgetränk (diesmal mit Kohlensäure) und eine mehr oder minder
leckere Wurst als Proviant. Die Preise bewegten sich zwar auf
unverändert hohem Niveau, aber immerhin war die Auswahl nun deutlich
größer und appetitlicher. Anscheinend hatte ich zu lange getrödelt,
denn als ich wieder an der „Orbit Stage“ ankam, war das Konzert
schon in vollem Gange. Sängerin Kenda wirbelte wild über die kleine
Bühne und der Reverend malträtierte seine Orgel. Bass und Gitarre
wurden offensichtlich auch gespielt, doch davon kam erstaunlich wenig
aus den Boxen. Da sich doch überraschend viele Leute den Auftritt
ansehen wollten war der Durchgang links der Bühne komplett blockiert
und ich musste einen weiten Umweg in Kauf nehmen, um schließlich
doch einen einigermaßen vernünftigen Blick auf die Band zu
bekommen. Obwohl sie auf den ersten Blick etwas deplatziert auf
diesem Festival wirkte gingen die Zuschauer doch gut mit und feierten
die Band ordentlich.
Bis zum nächsten, für mich, interessanten Auftritt hatte ich noch ein wenig Zeit und so schlenderte ich von Bühne zu Bühne um mir ein paar Eindrücke von Sonja Kraushofer mit ihrem klassischen Musikprojekt, den Veteranen Das Ich mit einem offensichtlich gut aufgelegten Stefan Ackermann und den Rockern Darkhaus zu holen. Nachdem letztere mit ihrem Set fertig waren blieb ich gleich an der "Green Stage", sollte hier doch gleich der Auftritt von Qntal stattfinden. Sigrid Hausen, Michael Popp und ihre Mitmusiker mischen mittelalterliches Liedgut mit moderner Instrumentierung und gaben mit ihrem Konzert einen schönen Überblick über die Bandgeschichte, einschließlich meinem persönlichem Favoriten, dem "Palästinalied". Sowohl musikalisch wie auch optisch für mich der bisherige Höhepunkt des Festivals und immer wieder ein großartiges Erlebnis. Bevor die nächste Band auf mich wartete, wollte ich noch ein wenig dem Konsum frönen und konnte tatsächlich noch ein wenig Band-Merchandise ergattern, bevor es auch schon mit dem nächsten Konzert weiterging.
Die
Damen und Herren von Welle: Erdball sind immer
wieder ein Garant für ausgelassene Stimmung und niveauvolle
Unterhaltung, daher war es nicht überraschend, dass praktisch das
komplette Gelände vor der "Green Stage", trotz der wieder
aufziehenden Regenwolken, gefüllt war. Eine gute Stunde lang
präsentierte das Quartett ein Potpourri ihrer größten Erfolge
einschließlich solch musikalischer Perlen wie "VW-Käfer",
"Schweben, Fliegen, Fallen" oder "Starfighter F104G",
komplett mit riesigen Ballons, Papierfliegern und einer
Trommeleinlage auf dem Ölfass. Für mich sind die Konzerte der Band
immer wieder ein Highlight, alleine der Atmosphäre wegen, die im
Publikum herrscht. Während anschließend das Equipment von Samsas
Traum aufgebaut wurde fielen die ersten Tropfen und nach
wenigen Minuten hatte sich der leichte Regenguss in einen kräftigen
Schauer verwandelt. Schließlich wurde es mir doch zu nass und ich
ging wieder in die völlig überfüllte Arena zurück, wo Oomph! für Stimmung sorgten.
So
kam ich wenigstens trockenen Fußes wieder hinüber zur „Orbit
Stage“, wo sich Rome auf ihren Auftritt
vorbereiteten. Der Regen hatte sich zwar ein wenig abgeschwächt,
dennoch waren vor der Bühne praktisch nur Schirme zu sehen, hinter
denen man vage die Band erkennen konnte. Ich arbeitete mich weiter
nach vorne, immer bemüht, dass mir niemand die Augen ausstach.
Schließlich hatte ich ein lauschiges Plätzchen vor der Bühne
gefunden und konnte in Ruhe das Konzert der Luxemburger genießen.
Geboten wurde dann auch fast eine Stunde lang Neo-Folk vom Feinsten
mit eingängigen Melodien, düsteren Texten und der dazu passenden
Stimmung.
In
freudiger Erwartung des Abschlusskonzertes machte ich mich
schließlich auf den Weg in den Innenraum der Lanxess Arena.
Obwohl The Misison noch immer spielten waren Halle
und Ränge halb leer. Wayne Hussey, Frontmann und Sänger der Band,
war kaum in der Lage einen Ton zu treffen, was durch eine
Grippe-Erkrankung bedingt war, glaubt man Band und
Konzert-Veranstalter. Nachdem hier die letzten Takte verklangen waren
leerte sich die Halle schlagartig, da jeder noch schnell etwas zu
erledigen hatte, bevor endlich das große Finale beginnen konnte. Ich
nutzte die Gelegenheit und suchte mir ein Plätzchen schön zentral
vor der Bühne gelegen und behauptete dies später auch tapfer gegen
Nachzügler. Während der Umbaupause füllte sich die Halle immer
mehr, bis schließlich gegen 21.30 Uhr kein freier Platz mehr zu
bekommen war. Besucher, die den Fehler machten die Halle jetzt noch
für einen kurzen Toilettenbesuch zu verlassen wurde der Eintritt
verweigert und auch sonst fanden nicht alle Besucher Zugang zur
Arena.
Schließlich
war es soweit und nach einer letzten Moderation betraten VNV
Nation, verstärkt von zwei Keyboardern, die Bühne der
„Arena Stage“. Auch Ronan Harris hatte zu Beginn teilweise
massive Probleme mit der Stimme, allerdings war er recht gut in der
Lage die Situation zu überspielen und nach dem zweiten oder dritten
Lied traf er dann auch endlich die richtigen Töne. Musikalisch bot
die Band in rund 75 Minuten eine Mischung aus alten und neuen
Stücken, und auch der eine oder andere ungewöhnliche Track schaffte
es in die Setlist. Was wirklich begeistern konnte war jedoch die Art,
wie der Sänger das Publikum im Griff hatte und es auch in die Show
mit einbezog, von der Welle, die mehrfach durch die ganze Halle lief
bis hin zu den Feuerzeugen (!) die bei manchen Stücken zum Einsatz
kamen. Ein rundum großartiger Auftritt, der den hervorragenden Ruf
von VNV Nation als Live-Band untermauert und doch
einen versöhnlichen Abschluss für das stellenweise holprige
Festival bot. Schließlich war es schon kurz nach 23.00 Uhr und der
Ruf nach einer Zugabe musste ungehört verhallen. Unerbittlich
flammten die Hallenscheinwerfer auf und beleuchteten, das Chaos aus
Getränkebecher, Bierpfützen, Müll und erschöpften Menschen
innerhalb der Arena.
Eine
Aftershow-Party war, meines Wissens nach, nicht geplant und auch die
Stände hatten schon alle geschlossen, so dass noch nicht einmal ein
Absacker auf dem Gelände möglich war. So strömte ich dann,
zusammen mit den anderen Besuchern, im Nieselregen aus der Arena und
machte mich, müde, durstig und mit einem verdächtigen Fiepen im Ohr
auf den Rückweg zum Hotel, der mir diesmal viel länger vorkam.
Für
das wirklich bescheidene Wetter und die damit verbundenen
Einschränkungen, vor allem am Samstag, tragen die Veranstalter
selbstverständlich keine Verantwortung. Doch hätten sie das
Kommunikationssystem der Halle durchaus dazu nutzen können, die
Besucher über die Ausfälle und Verlegungen zu informieren. So kam
es mir wie Hohn vor, dass auf den Monitoren der Auftritt von Neuroticfish angekündigt wurde, obwohl dieser
schon lange abgesagt war. Auch die Hinweise auf die Magistrale mit
ihren schicken Verkaufsständen oder den Autogramm-Bereich waren nur
schwer zu finden. Zumal nicht jeder Besucher wusste, dass es
überhaupt ein Programmheft mit Lageplan gab. Alleine dieses Heftchen
zu bekommen stellte sich als schwierige Aufgabe heraus, und auch
allgemeine Fragen konnte das, immerhin freundliche und bemühte,
Personal am Infostand, nicht, falsch oder nur rudimentär
beantworten.
Praktisch
bei jeder Anmoderation wiesen die Veranstalter darauf hin, dass
zumindest der Samstag hätte abgesagt werden müssen, wenn das
Festival wie in den Vorjahren am Tanzbrunnen stattgefunden hätte.
Das ist natürlich richtig und für die logistische Schwerstarbeit
bei der improvisierten Running Order gebührt den Organisatoren ein
wirklich dickes Lob. Allerdings ändert dies nichts an der Tatsache,
dass die Lanxess Arena nichts anderes ist, als
eine durchkommerzialisierte Bespaßungsanstalt ohne Charme, Charakter
oder Atmosphäre. Sie hat zwar unbestreitbare Vorteile was sanitäre
Einrichtungen und Sitzgelegenheiten angeht, eine wirkliche
Festivalstimmung wollte sich aber, zumindest bei mir, in diesem
sterilen Ambiente nicht einstellen. Dazu kam der teilweise sehr
schlechte Sound auf der "Arena Stage", der abhängig vom
eigenen Standort zudem stark variierte. Ob dies ein generelles
Problem mit der Akustik innerhalb der Halle ist, oder ob die
Tontechniker zwei extrem schlechte Tage erwischt hatten kann ich als
Außenstehender nicht beurteilen.
Wirklich
gelungen fand ich dagegen das Line-Up, wurden hier dem Besucher doch
einige Szenegrößen präsentiert und mit kleineren, aber
interessanten Acts ergänzt. Auswahl gab es auch genug, so dass sich
niemand langweilen musste, selbst wenn ein leichter Schwerpunkt auf
dem elektronischen Aspekt der "schwarzen" Musik lag.
Allerdings hätte ich sehr gut auf die Anmoderationen von Der
Tod verzichten können und auch seinen Auftritt hätte ich
nicht, oder zumindest nicht in der großen Halle, gebraucht. Aber das
sind natürlich nur meine persönlichen Befindlichkeiten.
Die
"Green Stage" mit ihrem terrassierten Gelände eignete sich
recht gut für die Auftritte, war doch gewährleistet, dass auch
Menschen unter zwei Meter die Chance hatten einen Blick auf die Bühne
zu werfen. Flankiert von einer kleinen Chill-Out-Area und zahlreichen
Ständen kam hier sogar richtiges Festival-Feeling auf und auch der
Ton war, zumindest bei den Bands, die ich hier gesehen hatte, sehr
ordentlich. Folglich hielt ich mich auch einen großen Teil der Zeit
in diesem Bereich auf. Was auf dem gesamten Festivalgelände extrem
unschön war, waren die Unmengen an Müll, vorzugsweise
Plastikbecher, die überall in der Gegend herumlagen. In der Halle
selbst kamen dann noch riesige Pfützen mit verschütteten Getränken
hinzu. Diese sah man zwar Dank der diffusen Beleuchtung nicht, aber
ich hatte mehr als einmal Probleme damit mein Schuhwerk vom Boden zu
lösen. Für diesen Dreck waren natürlich wir, die Besucher,
verantwortlich, allerdings gab es praktisch keine Mülltonnen im
Innenraum der Halle und auch auf dem Außengelände wurden sie nur
sporadisch geleert. Ein Großteil dieses Problems hätte sich
sicherlich mit einem Pfandsystem lösen können; warum hier darauf
verzichtet wurde bleibt das Geheimnis der Hallenbetreiber.
Es
ist für Veranstalter mit einem enormen Risiko verbunden, ein
etabliertes Festival zu verlagern, ganz unabhängig von den Gründen.
Die Frage die sich hierbei stellt ist natürlich immer, ob die
Besucher auch bereit sind mitzuziehen. Selbst wenn man den
ausgesprochen unglücklichen Start am Samstag ignoriert, gibt es doch
einige wichtige Baustellen, die dringend bis zum nächsten Jahr
behoben werden sollten. Die Resonanz der Besucher, zumindest soweit
ich sie mitbekommen habe, war entsprechend durchwachsen. Es gab viel
(berechtigte) Kritik, aber auch viel (ebenfalls berechtigtes) Lob,
was nun davon letzten Endes überwiegt und den Ausschlag gibt im
nächsten Jahr wieder aufs Amphi zu fahren, wird
jeder für sich selbst entscheiden müssen.