Mittwoch, 7. August 2013

Turbostaat; Oetinger Villa; Darmstadt

Turbostaat
Support: I Refuse, Freiburg
Donnerstag, 18. Juli 2013
Oetinger Villa, Darmstadt

Seitdem vor einiger Zeit das Album Das Island Manöver der norddeutschen Punk-Rocker von Turbostaat als Rezensionsexemplar auf meinem Schreibtisch gelandet ist, bin ich heimlicher Fan der fünf Herren aus Flensburg. Da ich ihren Auftritt im Frühjahr in der Frankfurter Batschkapp leider verpasst habe, bin ich doch froh, das die Band nur wenige Montage später ein Konzert in der Oetinger Villa in Darmstadt gibt.

Einlass ist schon um 20 Uhr, aber da ich auf der Suche nach einem Parkplatz etwas länger um die Häuser kurve und auch noch eine Kleinigkeit zu essen brauche komme ich erst kurz vor 21 Uhr an der Oetinger Villa an. Obwohl die erste Band des Abends, I Refuse, schon spielt, sitzen erstaunlich viele Leute auf den Treppen vor dem Eingang. Ich denke mir weiter nichts dabei und bahne mir einen Weg in den Konzertsaal, da sich dort auch die Theke mit den gekühlten Getränken befindet. Als sich die Tür vor mir öffnet, bekomme ich auch sofort eine Erklärung dafür, warum sich mehr Besucher draußen als drinnen befinden: Der Sauerstoffgehalt der Luft im Saal tendiert gegen Null, dafür können es Temperatur und Luftfeuchte durchaus mit jeder Sauna aufnehmen. Dazu kommt, dass die Jungs hinter den Reglern es mit der Lautstärke sehr gut meinen. Schnell besorge ich mir, zu sehr zivilen Preisen, einige Flaschen kühlendes Nass bevor mich eine Welle aus Hitze und Gitarrenlärm wieder nach draußen drückt.
Dort lässt es sich, was die Temperaturen angeht, mittlerweile aushalten und auch die Musik hat nun eine angenehme Lautstärke. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich daher sowohl von I Refuse wie auch von den nachfolgenden Freiburg kaum etwas mitbekomme. Was ich hören konnte, klang aber zumindest recht vielversprechend, was mir auch ein Bekannter bestätigen konnte, der eine bessere Konstitution hat als ich und bei beiden Bands in der Halle ausgeharrt hat.
Letztendlich kann ich mich nicht länger drücken und betrete zu den letzten Klängen von Freiburg den Saal. Dieser ist mittlerweile komplett voll und nur mit einiger Mühe kann ich mir einen Weg in die Mitte des Raums bahnen. Nach einer kurzen Umbaupause und einem ebenso schnellen Soundcheck entert die Band pünktlich um 22.30 Uhr die Bühne der ausverkauften Oetinger Villa.





Die Setlist konzentriert sich erwartungsgemäß auf Material des neuen Albums Stadt der Angst, welches im April dieses Jahres veröffentlicht wurde, und so startet die Band auch mit „Willenshalt“ direkt durch. Ein großer Teil des Publikums lässt sich dann auch trotz der subtropischen Atmosphäre im Saal nicht davon abhalten, ausgelassen zu tanzen und den Text mitzusingen. Aber auch ältere Stücke wie beispielsweise „Haubentaucherwelpen“ aus dem Jahr 2008 oder mein persönliches Highlight „Fraukes Ende“ haben ihre Berechtigung. Dazwischen findet Sänger Jan Windmeier immer noch Zeit und Muße für einige launige Ansagen und macht ein paar Späße über das Klima in der Halle. Erstaunlicherweise kann fast jeder im Saal sämtliche Texte mitsingen und so übernimmt auch das Publikum einen Großteil der Vocals bei „Sohnemann Heinz“. Direkt darauf folgt mit „Sohnemann Zwei“ der einzige Ruhepunkt des Konzertes, bei dem die Band fast völlig das Tempo aus dem bis dahin sehr energiegeladenen Auftritt nimmt und sich selbst, wie auch Publikum ein paar Minuten Zeit lässt, um durchzuatmen. Nach dieser kleinen Verschnaufpause zieht das Tempo mit „Eine Stadt gibt auf“ wieder merklich an. Und auch die Zuhörer im Saal mobilisieren nochmal alle Kräfte, um die Band weiter zu feiern. Während mit „Urlaub auf Fuhferden“ und dem grandiosen „Harm Rochel“ wieder zwei ältere Stücke gespielt werden, ist der Auftritt von Turbostaat nach nicht mal einer Stunde, zumindest für mich, beendet. Die Kleidung klebt völlig durchnässt am Körper, das Atmen fällt zunehmend schwer und der Kollege hinter mir ist mir mittlerweile mehrfach in den Rücken gesprungen. Solange ich mich also noch selbst auf den Beinen halten kann, schleppe ich mich nach draußen und bemerke dabei die angelaufenen Scheiben im Flur der Villa und das bei einer Außentemperatur von immerhin 27 Grad Celsius.
Draußen stelle ich (etwas erleichtert) fest, dass ich nicht der Einzige bin, der auf dem Konzert schwächelt, sitzen doch schon mehrere Leute völlig erschöpft auf den Treppen und versuchen wieder einigermaßen zu Kräften zu kommen.
Drinnen machen sich mittlerweile auch bei der Band erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar und das Konzert neigt sich offensichtlich langsam seinem Ende entgegen. Nach zwei kleinen Zugaben ist es schließlich geschafft und die Leute strömen durchnässt und außer Atem aus der Oetinger Villa um sich im weitläufigen Park noch ein wenig zu erholen, bevor sie sich schließlich auf den Heimweg machen.

Turbostaat haben bei diesem Konzert gezeigt, dass es keine aufwendige Licht- oder Bühnenshow braucht, um das Publikum gut zu unterhalten und mitzureißen. Eingängige, aber abwechslungsreiche Musik, gepaart mit etwas verschrobenen, aber nicht unintelligenten Texten und schließlich Musiker, denen der Zuschauer auch abnimmt, dass sie mit Spaß bei der Sache sind, geben eine hervorragende Mischung ab. Die Band hat trotz der widrigen Umstände im Saal eine großartige Vorstellung gegeben und auch dem Publikum alles abverlangt. Mein besonderer Respekt geht dabei an Gitarrist Rotze Santos, der das komplette Konzert mit langer Hose, Jacke und Wollmütze bestritten hat und dabei nicht von einem Hitzschlag niedergestreckt wurde.
Leider habe ich von den beiden Vorbands so gut wie nichts gehört, daher erlaube ich mir auch kein Urteil, was deren Auftritt angeht. Vielleicht beim nächsten Mal, dann aber hoffentlich unter etwas angenehmeren Bedingungen.
Der Sound in der Oetinger Villa war, zumindest im späteren Verlauf des Abends, gut abgemischt und auch die Location selbst ist für Veranstaltungen dieser Art hervorragend geeignet. Ob man allerdings die Konzerte nicht besser in die Herbst- oder Wintermonate verlegt oder das Lüftungskonzept etwas überarbeitet sei einmal dahingestellt. Immerhin waren die Getränkepreise mehr als fair und so konnte wenigstens der Flüssigkeitsverlust problemlos ausgeglichen werden.

Das nächste Konzert von Turbostaat in meiner Nähe ist schon in knapp vier Wochen im Rahmen des FOLKLORE NullDreizehn-Festivals in Wiesbaden und dann sogar unter freiem Himmel. Die Chancen stehen also recht gut, dass ich diesmal das Konzert bis zum Ende durchstehe.